Live aus Melbourne: Ein Rückblick voller Emotionen und ein Interview mit Djokovic-Besaiter Glynn Roberts

Novak Djokovic und Angie Kerber, Foto Bastian Rapp
Es ist also vorbei, die letzten Ballwechsel der diesjährigen Australian Open sind gespielt und zwei weitere Namen können auf die Trophäen geprägt werden: Novak Djokovic und ja, Angelique Kerber! Zeit, ein bisschen zurückzublicken auf die zweite Turnierwoche, in der mir wieder einmal bewusst wurde, welch' starke Emotionen Tennis sowohl bei den Spielern als auch bei den Fans hervorrufen kann.

In der Woche durfte ich zudem ein sehr interessantes Interview mit Djokovic-Besaiter Glynn Roberts führen.


Leidvoll für Friedsam
Bestes Beispiel für große Emotionen war das Match Anna-Lena Friedsam gegen Aga Radwanska, das ich aus erster Reihe beobachten konnte. Friedsam hatte mich ja schon mit ihrem starken Match gegen Roberta Vinci überzeugt. Und auch in diesem Match sollte sie ihr Können zeigen. Im ersten Satz war sie relativ schnell in Führung und konnte ihn letztendlich nervenstark im Tiebreak gegen die aktuelle Nummer 4 der Weltrangliste entscheiden. Im zweiten Satz schwächelte Friedsam. 

Anna-Lena Friedsam, Foto Bastian Rapp
Im dritten Satz entfaltete sich dann das eigentliche Drama. Trotz des schwachen zweiten Satzes ließ sich die Deutsche nicht unterkriegen, fand wieder ihre starke Vorhand und ging mit 5:2 in Führung. Sie war damit nur ein Spiel von der Sensation entfernt. Doch leider galt auch in diesem Spiel die altbekannte Regel: "Wer den letzten Punkt macht, gewinnt" und leider spielten bei Friedsam erst die Nerven und dann der Körper nicht mehr mit. Sie hatte sich schon während des Satzes immer wieder an den Oberschenkel gegriffen und beim Stand von 5:4 kamen schließlich sehr starke Krämpfe. Sie musste immer wieder darum kämpfen, überhaupt aufschlagen zu können. Der meiner Meinung nach sehr taktlose Schiedsrichter gab ihr deshalb auch noch zwei Verwarnungen, was Punkt und Spielgewinn für Radwanska bedeutete. Trotz sichtlicher Schmerzen und Tränen in den Augen gab die Deutsche jedoch nicht auf und kämpfte bis zum Schluss, konnte aber leider nichts mehr ausrichten. Am Ende gab es zwar standing ovations von den mitgerissenen Zuschauern, doch das Match hat gezeigt, wie undankbar und hart Tennis doch manchmal sein kann. Trotz dieser verpassten Chance hoffe ich, dass Friedsam daraus lernt und ihr Potential nutzt. Es wird nicht ihr letztes Grand Slam-Achtelfinale sein. 

Freudentränen für Kerber
Nun aber zu den ganz großen Glücksmomenten des Sports, die uns hier vor allem Angelique Kerber beschert hat. Ja was soll ich dazu groß schreiben. Ich denke, viele von euch haben es angeschaut und mit Angie einige Freudentränchen verdrückt, als sie endlich ihr großes Ziel erreicht und ihren ersten Major-Titel gewonnen hat. Wer es nicht gesehen hat, hat ein Stück deutsche Tennisgeschichte verpasst, in der eine Spielerin, die in der ersten Runde beinahe ausgeschieden ist, in einem packenden Match die sonst nahezu unverwundbare Serena Williams bezwungen hat. Man hat anhand der beiden Matche sehr schön gesehen, wie nah Triumph und Niederlage doch sind und wie magisch, jedoch zugleich niederschmetternd Tennis auch sein kann. 

Leider nicht so mitgerissen haben mich die zwei Viertelfinalspiele, die ich besucht habe, da sowohl Djokovic-Nishikori als auch Raonic-Monfils eher einseitige Angelegenheiten waren.

Glynn Roberts, Foto Rapp
Spannend war dagegen mein Interview mit Glynn Roberts. Er ist mit seiner Besaitungsfirma Priority One auf den Turnieren als Besaiter vieler Top-Spieler unterwegs.

Herr Roberts, Sie arbeiten hier auf der Anlage der Australian Open als Besaiter, werden Sie offiziell vom Turnier beauftragt oder besaiten Sie nur für einige Spieler persönlich?
Roberts: Ich bin unabhängig mit der Besaiterfirma Priority One hier. Wir sind ein Team aus drei Leuten und arbeiten hier nur für unsere Klienten. Das sind hier bei den Australien Open zehn Spieler.
Wer zum Beispiel?
Roberts: Aktuell sind das u.a. Novak Djokovic, Roger Federer, Andy Murray, Stan Wawrinka, Milos Raonic und Lleyton Hewitt.
Wieviele Schläger bekommen Sie an einem stressigen Tag zur Besaitung?
Roberts: Das können bis zu 25 Schläger sein. Wir versuchen aber immer, es möglichst effizient zwischen uns aufzuteilen. Es kommt selten vor, dass wir an einem Tag viele Schläger machen müssen und am nächsten keine. Je nach den Ansprüchen der Spieler verteilen wir die Schläger auf mehrere Tage.
Wie lange benötigen Sie zur Besaitung eines Schlägers?
Roberts: Wenn wir alles einberechnen, so um die 25 Minuten. Das heißt mit Herausschneiden der Saite und auch mit Wechseln des Griffbandes.
Bevorzugen die Spieler generell eher Naturdarmsaiten oder Kunstfaser?
Roberts: Die meisten Spieler nehmen einen Mix aus beiden. Novak Djokovic zum Beispiel spielt längs eine Naturdarmsaite und quer eine Polyestersaite. Generell haben wir einen ähnlichen Verbrauch an Natur- und Kunstfasersaiten. Es gibt jedoch wenige, die sich auf nur eines von beidem festlegen.
Gibt es bei den Spielern einen großen Unterschied zwischen den gewünschten Spannungsstärken?
Roberts: Vor einigen Jahren, als noch größtenteils Naturdarmsaiten verwendet wurden, waren die Spannungstärken oft sehr hoch. Doch mit der häufigeren Benutzung von Polyestersaiten wollen die meisten Spieler zwischen 24 kg und 27 kg und es gibt eigentlich wenig Unterschiede.
Hier in Melbourne hatten wir ja in der letzten Woche oft extrem heiße Temperaturen. Beeinflusst das Wetter die Spannungsstärke, die die Spieler von ihrer Saite wünschen?
Roberts: Das Wetter beeinflusst durchaus die Entscheidung der Spieler in Bezug auf ihre Spannungsstärke. Wird es sehr heiß, gehen sie oft hoch mit der Spannungsstärke. Wenn es regnet und sie in die Halle müssen, dann wollen sie weniger.
Wie wird man ein professioneller Tennisbesaiter?
Roberts: Vieles hängt davon ab, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Jeder fängt normalerweise als Bespanner vor Ort bei kleineren Turnieren an, denn da werden die meisten Schläger bespannt. Um dort hineinzukommen, muss man oft die richtigen Leute kennen, die einen empfehlen und so zu den größeren Turnieren führen. Es professionell zu machen, beinhaltet auf jeden Fall, erst mal viele Schläger und viele Überstunden. Man sollte vorbereitet sein, lange an der Besaitungsmaschine zu stehen.
Zum Schluss noch eine Frage zum Turnier: Wer wird gewinnen?
Roberts: Ich bin zufrieden, solange einer unserer Vertragsspieler gewinnt und er mit unserer Arbeit glücklich ist, sei es nun ein Djokovic, Federer oder Murray.

Bastian Rapp

Zum Autor: Bastian Rapp (18) kommt aus Brannenburg (Oberbayern), ist leidenschaftlicher Tennisspieler (Bezirksliga, TSV 1860 Rosenheim) und ausgebildeter Tennistrainer. Er ist nach seinem Abitur (Sommer 2015) für neun Monate nach Australien aufgebrochen (Work and Travel) und hat dort live auf unserem Blog von den Australien Open, dem ersten Grand-Slam-Turnier im Jahr, berichtet.